Stimmen des Lichts

Art´n´Voices

Annenkirche Dresden

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»Ergreifend: die Brillanz von Art’n’Voices«

Die Adventszeit birgt wie anderswo in der Republik auch in der Landeshauptstadt Dresden zahlreiche musikalische Höhepunkte in der Klassik-Szene. Erzgebirg’sche Traditionen weltberühmter Knabenchöre, nussknackende Darbietungen prunkener Opernhäuser, Bach’sche Oratorien Jauchzen und Frohlocken vom Blauen Wunder bis in die Vororte des Meißner Spaargebirges um nur Einige zu nennen. Und doch begaben sich über 200 Zuhörer  eines regnerischen Donnerstagabends in die Annenkirche um das überregional angekündigte Vokalensemble Art’n’Voices aus Danzig erstmals überhaupt in unsere Breitengraden zu erleben. Eine Geschichte von Brillanz und Ratlosigkeit: wie das Erlebte in Worte fassen? Ein Versuch.

"Stimmen des Lichts"

Mit „Stimmen des Lichts“ versprach die Ankündigung eine Klangreise im Advent der besonderen Art. Immerhin, und dies sei deutlich hervorgehoben, haben die acht Stimmen des polnischen Oktetts jüngst im Mai den 1. Preis des a-cappella-Wettbewerbs in Leipzig 2023 abgeräumt und der vielversprechend besetzten Konkurrenz die Show gestohlen. „Toller Sound“ und „herausragend, einfühlsam“ bis „der Hammer“ überschlugen sich die Meinungen der international hochkarätig besetzten Fachjury. So traf in der für Vokalmusik hervorragend geeigneten Annenkirche eine vollends unbekannte, moderne, ganz zauberhafte Klangsprache auf jahrhundertealte Texte und Themen der Weihnachtszeit welche uns zumeist nur in -zigfacher Ausfertigung von All-Wetter-Garanten wie Bach oder Billy Joel bekannt sind.

»Voll himmlischer Herrlichkeit«

Ein genauer Blick ins Programm erweist dem geübten Sanges-Auge dann doch Höhepunkte großer Aktualität. Junge, in der Chor- und a-cappella-Welt weltbekannte polnische Komponisten wie Michal Ziolkowski (*1991), der Exportschlager Pawel Lukaszewski (u.a. gehört im Mai 2023 im Konzert des Poznaner Knabenchores) oder gar „hauseigen“ maßgeschneiderte polyphone Meisterwerke der jungen Altistin Anna Roclawska-Musialczyk (*1987) von Art’n’Voices. 

Mit „Peace“ gelingt dem Ensemble ein souveräner Auftakt – stimmungsvoll, beinahe schwerelos strahlt der warmherzige Klang des Ensembles Licht ins Dunkel des regnerischen Abends der liebevoll und warm ausgeleuchteten Kirche. Die folgenden Werke in durchweg polnischer Sprache handeln von der Geburt Jesu, von einem Stall voll himmlischer Herrlichkeit sowie der Stadt Bethlehem. Adventliche Verse in polnischer Sprache, nahe dem Stil britischer Folksongs in lupenreinem Satzgesang – eine Übersetzung des Textes war hier keiensfalls von Nöten.

Erst mit Bachs „O Jesulein süß“ werden die „polnischen Carols“ unterbrochen um in sensibler, gar zärtlicher Anmutung die Geschichte der Weihnacht in beliebter Musiktradition auf das Wesentliche zu reduzieren: drei wunderschöne Strophen über ein kleines Kind in der Krippe. Die akkurate, dennoch weiche Aussprache des deutschen Texts beeindruckte, wie in der Nachbetrachtung von einem Großteil des begeisterten Publikums positiv hervorgehoben, ohne mit überphonierten -t und -k Endungen einem fiktiven Chorleiter oder Dirigenten die Akkuranz der Vorbereitungen unter Beweis stellen zu wollen.

Das folgende Weihnachtslied W stajeneczce narodzone (In einer Krippe geboren) verarbeitet bekannte Wendungen von bekannten „Luly-Luley“-Varianten und führt über ein ebenso effektvolles Leise rieselt der Schnee, arrangiert vom Jazz-Violinisten und Bariton Tomasz in die mystischen, einzigartigen Klänge von Art’n’Voices.

Die neue Klangsprache Polens

Mit dem Morning Star von Arvo Pärt begibt sich das Ensemble (endlich?) auf den Weg hinfort von „klassischer Chormusik“. Das folgende Te Lucis (Text nach einem alten lateinischen Hymnus) bringt akzentuiert, doch nie übertrieben zeitgenössische Dissonanzen in eine sich dramatisch zuspitzende Erzählung ein. Mit stimmlich äußerst fordernden Intervalsprüngen, Pianissimi und sekundreibenden-Echos zwischen den vier Frauen- und Männerstimmen und dissonanten Akkordfolgen könnte man das Werk von Marek Raczynski als „mutig“ bezeichnen. Doch sind es in ihrer Klangsprache und Lautmalerei genau diese notwendigen Grenzerfahrungen (ohne die Verwendung zeitgenössischer Stilmittel zu überbeanspruchen) die dem Publikum eindrucksvoll im Gedächtnis bleiben und blieben. Die achtstimmige Klangpracht von Art’n’Voices füllte eindrucksvoll den Raum, ohne forciert zu sein. Exzellenter Intonation zum Dank.

Das Wiegenlied Bibi, Synku, Bi von Komponistin Anna (Altistin, Art’n’Voices) denkt den Spannungsbogen von Te Lucis weiter – beginnend mit einer einsamen Melodie und eher weichen Wechseln des Leitmotivs durch die Gruppe. Der fast schon verhaltene Eindruck zu Beginn trügt: das Stück ist als maßgeschneidertes Aushängeschild zu betrachten – verhalf „Bibi“ doch zum 1. Preis beim Wettbewerb in Leipzig 2023 und ist natürlich auch auf der preisgekrönten CD-Einspielung „Midnight Stories“ zu erleben. Eine Sekundreibung begleitet meist die melodiösen Stimmführungen, sorgt für Spannung und einen inneren Vortrieb, zahlreiche Synkopen in den begleitenden Männerstimmen bringen dem Stücke den nötigen Groove um nicht in sphärische Belanglosigkeit und Schönklang abzudriften. Hohe As“ und B“ erklingen mit spielerischer Leichtigkeit durch die junge Sopranistin Malgorzata (Gosha) und krönen den transparenten, sternenklaren Klang des Ensembles mit einem Funkeln. Die Reaktion auf dieses Meisterwerk? Sprachlosigkeit! Man traute sich kaum zu atmen, die ein oder andere Träne der Rührung kullerte in stiller Heimlichkeit. Eine Begeisterung im Publikum der man kaum Worte verleihen kann.

Die Kashubische Suite, ebenso von Anna Roclawska-Musialczyk komponiert, rückt nun (den begabten Jazz-Violinisten) Tomasz (Bariton) mit improvisierten Intermezzi für Solo-Violine in eine von maritimen, baltischen Empfindungen geprägten Stück „an die Heimat“ Danzig in den Fokus. Bevor der Überschwang an Innovation das Ohr überfordern könnte korrigiert das Ensemble mit liebevoll-morderierter Wortwahl durch Tenor Simon den Kurs und tritt die Rückreise vorbei an der Halbinsel Hel in die Bucht von Danzig ein.

Die abschließenden wiederum polnischen, adventlichen Stücke glätten das maritime Drängen wie auch die aufregend schäumende Sturmflut von Art’n’Voices und versöhnen, stets im modernen, eigenständigen Sound zu Wiegenliedern, Abendmusik und einer berührenden Zugabe des „And so it goes“ im Arrangement der Kings Singers.

„Das Ensemble entfesselt eine ungestüme Kraft, welche kaum in Worte zu fassen ist“

Art’n’Voices beweist eindrucksvoll, dass Ankündigungen und der hohe Anspruch Neues zu schaffen nicht nur Worthülsen übermotivierter Perfektionisten sind. Bestehende Traditionen, welche oftmals (wohl oder übel) als konservative Heiligtümer für die Ewigkeit manifestiert werden, werden gekonnt in das Programm „Stimmen des Lichts“ implementiert, ohne deren Bedeutung und Fundament für die Moderne zu vereiteln. Umso stärker heben sich die selbstkomponierten oder arrangierten modernen Stücke von traditionellen Klängen Mitteleuropas ab, das Maß an zumutbarer zeitgenössischer Stilistik wird hierbei nie überreizt und überrascht dennoch – sehr erfrischend. Die Vielseitigkeit vom dreifachen Pianissimo bis zum raumfüllenden Oktettklang, die tolle Intonation und liebevollen Details und Nuancen von Sekund-Dissonanzen bis zum übermäßigen Akkord der modernen polnischen Werke, maßgeschneidert auf einzig dieses Ensemble umgeben einen mit einer leichtherben Süße und lassen, ob musikalisch- oder erlebnisorientierter Zuhörer, einen Staunen vor Sprachlosigkeit und Rührung. Ein spezifischer, neuartiger Sound und Style, dessen Magie man nur live erleben kann. Mit den acht preisgekrönten Stimmen wurde eine vokale, schäumende Gischt entfesselt welche auch zukünftig baltischen wie kashubischen Flair aus der Hafenstadt Danzig in die Kirchen und Säle Mitteleuropas strömen lassen wird.

Wir von Klassik Deluxe sind stolz, das Ensemble auf seiner Reise in die unendlichen Gewässer unseres blauen Planeten fortan begleiten zu dürfen.

Kommende Konzerte in Deutschland für das Jahr 2024 sind schon bald auf der Website von Art’n’Voices zu finden. (https://artnvoices.art)

Besetzung

Rolle
Sopran
Name
Małgorzata Priebe
Rolle
Sopran
Name
Maria Krueger-Milej
Rolle
Alt
Name
Anna Rocławska-Musiałczyk
Rolle
Alt
Name
Marta Jundziłł
Rolle
Tenor
Name
Mateusz Warkusz
Rolle
Tenor
Name
Szymon Duraj
Rolle
Bass
Name
Tomasz Chyła
Rolle
Bass
Name
Rafał Brzeziński

Stimmen des Lichts

Mit „Stimmen des Lichts“ versprach die Ankündigung eine Klangreise im Advent der besonderen Art. Immerhin, und dies sei deutlich hervorgehoben, haben die acht Stimmen des polnischen Oktetts jüngst im Mai den 1. Preis des a-cappella-Wettbewerbs in Leipzig 2023 abgeräumt und der vielversprechend besetzten Konkurrenz die Show gestohlen. „Toller Sound“ und „herausragend, einfühlsam“ bis „der Hammer“ überschlugen sich die Meinungen der international hochkarätig besetzten Fachjury.